Kommentar von Dr.-Ing. Ralf Feierabend, ConMoto-Gründer und Geschäftsführer

Der Ölpreis fällt unter 0 Euro pro Barrel! Auf dem US-Markt mussten am Montag zeitweise die Verkäufer von Öl dem Käufer bis zu 37 US-Dollar pro Barrel zahlen: Zum ersten Mal hat das „schwarze Gold“ damit einen negativen Preis. Die US-Regierung will jetzt den Preis durch Käufe stützen. Präsident Trump spricht von 75 Million Barrel, um die strategische Ölreserve von 635 auf 710 Millionen Barrel aufzustocken. Damit ist die maximal erlaubte Reservemenge erreicht. Diese kurzfristige, einmalige Maßnahme verändert nicht das strukturelle Ungleichgewicht zwischen Ölangebot und Ölnachfrage.

Weil der negative Ölpreis ein so deutliches Symptom des wirtschaftlichen Einbruchs ist, dreht als Folge der Dax um 2,4 Prozent ins Minus. Der EU-Sozialkommissar Nicolas Schmit befürchtet, dass gerade in den Ländern mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten die Arbeitslosigkeit noch weiter ansteigt: Die lag im Februar, also vor den Auswirkungen der Corona-Krise, im jetzt stark betroffenen Italien bereits bei 9,7 Prozent und in Spanien bei 13,6 Prozent. In Deutschland wird – nachvollziehbar – über das Aufstocken des Kurzarbeitergeldes auf 80 Prozent gesprochen. Gleichzeitig stellt die Kanzlerin einen deutlich höheren EU-Etat für die Jahre 2021 und 2028 in Aussicht, um Solidarität mit in Schwierigkeiten geratenen EU-Mitgliedern zu zeigen.

Wir müssen uns die Folgen der schwersten Weltwirtschaftskrise der letzten Jahrzehnte vor Augen führen. Die Welthandelsorganisation rechnet mit einem Welthandels-Minus von rund einem Drittel. Die deutschen Staatsschulden werden aufgrund der enormen Hilfspakete um mindestens 25 Prozent steigen, unter Umständen sogar mehr als 40 Prozent. Es wird Generationen brauchen, bis das Defizit wieder unter 60 Prozent des BIP gesunken ist. Die negativen Folgen für die deutsche Wirtschaft beschränken sich nicht auf das Inland. Nur ein Beispiel: Die größte BMW-Fabrik steht in den USA, dort sind die Arbeitslosen in wenigen Wochen um 22 Millionen gestiegen, während die Bänder stillstehen.

Wir brauchen jetzt ein Ziel. Grundsätzlich gibt es nach meiner Wahrnehmung – jedenfalls habe ich Mediziner und Virologen so verstanden – zwei Wege:

  1. Entweder wir entschließen uns zu einem weiteren, sehr umfassenden Shutdown von etwa vier Wochen mit dem Ziel, die Reproduktionsrate des Virus weiter drastisch zu senken oder
  2. Wir verfolgen eine konsequente Strategie, die ein Leben mit dem Virus durch Strategien im Arbeitsschutz und Smart Distancing ermöglicht.

Eine Vermischung dieser beiden Wege macht keinen Sinn. Aber genau das tun wir mit der schrittweisen Öffnung.

Wir brauchen deutlich mehr Tests, auch wenn jetzt alle Experten den Kopf schütteln, es müsste möglich sein, die gesamte deutsche Bevölkerung in zehn Monaten zu testen. Das wären 250.000 Tests am Tag. In Bayern könnten heute 18.000 Tests am Tag vorgenommen werden, hochgerechnet wären das 105.000 Tests in Deutschland. Wir kennen Produktivitätssteigerungen von 50 Prozent und mehr durch erstaunlich einfache Maßnahmen. Warum soll das in Laboren und bei den Tests nicht möglich sein? Warum gibt es dafür kein Konzept? Wenn andere Laborkapazitäten genutzt würden, z.B. in der Lebensmittel- und Fleischindustrie oder bei Molkereien, könnte die Zahl der dringend notwendigen Tests weiter deutlich erhöht werden.

Ein Ziel, innerhalb von zwei bis drei Wochen die Kapazität für Corona-Tests auf 150.000 pro Tag auszuweiten, ist keine Utopie. Gezielt eingesetzt könnte dann durch Testen der gefährdeten Personen eine Ausbreitung der Infektionen eingedämmt werden. Das muss kombiniert werden mit den bekannten Schutzmaßnahmen.

Die Super-Optimisten erwarten, dass im Herbst ein Impfstoff zur Verfügung steht. Andere sehen das im Herbst 2021. In jedem Fall dauert es zu lange, um den Shutdown bis dahin aufrecht zu erhalten.

Parallel verfolge ich die Pressekonferenz des RKI. Die Aussagen dieses Instituts halte ich mittlerweile für gefährlich! Es ist keine klare Linie erkennbar.

Der Blick auf die Gesamtsituation muss deutlich ausgeweitet werden. Wir brauchen eine Strategie, die virologisch fundiert ist, aber auch ökonomische, soziale und politische Gesichtspunkte berücksichtigt. Diese neue Perspektive brauchen wir nicht bald, sondern jetzt.